Im jüngst veröffentlichten, eigenständig lauffähigen Crysis- Addon Warhead drängen sich uns an jeder Ecke Erinnerungen an Crysis auf. Das liegt nicht etwa an unseren hellseherischen Fähigkeiten oder daran, dass wir den Titel bereits auf der Games Convention probegespielt haben. Die Lösung ist viel trivialer:
Wir haben einzelne Aspekte von Warhead tatsächlich schon erlebt. Und zwar in Crysis selbst.
Crysis-Spieler erinnern sich, dass Psycho immer mal wieder den Weg von Nomad kreuzte, ansonsten aber, typisch „Frontschwein“, auf anderen Teilen der Insel im Alleingang Außerirdische jagte. Was er dabei erlebt, erfahrt ihr nun in Warhead. Wie zu erwarten, gestaltet sich der virtuelle Abenteuerurlaub im Paradies ähnlich dem in Crysis. Im schicken Nanosuit, einem Hightech-Strampelanzug, der selbst Batman neidisch machen würde, legt er sich mit scharenweise Nordkoreanern und Aliens an.
Verbesserungen am Superhelden-Strampler gibt es nicht. Nach wie vor markieren vier Spezialfähigkeiten den Unterschied zwischen vielen toten Feinden und einem quicklebendigen Ausnahme-Soldaten. In der Standardeinstellung dient der Overall als schützender Kugelfang. Erst wenn die Schildenergie aufgebraucht ist, nimmt der Held selbst Schaden. Geheimnistuer und Spanner aktivieren die Schleichfunktion, die sie quasi unsichtbar macht. Angriffe aus dem Hinterhalt sind so kein Problem mehr.
Wer rabiater zu Werke gehen möchte, greift vermehrt auf die Stärke-Einstellung zurück. Gegner-Weitwurf und Hochsprung werden dadurch zur Paradedisziplin. Nicht minder nützlich ist die Tempo-Funktion. Die macht neue Sprintrekorde ebenso möglich wie zügiges Entkommen aus Gefahrenzonen.
Wahre Meister kombinieren die Spezialfähigkeiten geschickt, um als Ein-Mann-Armee nicht nur ordentlich auf den Putz zu hauen, sondern dabei auch noch cooler auszusehen als Mr. Willis in seinen besten Zeiten.
Drama, Baby, Drama!
Obgleich Warhead dem großen Bruder Crysis auf den ersten Blick wie ein eineiiger Zwilling gleicht, gibt es doch Detailunterschiede. Die Inszenierung etwa. Die ist noch knalliger, noch pompöser, und vor allem nimmt sie stärker Bezug auf den Protagonisten. Der Spieler erfährt Interessantes über Psychos Persönlichkeit, seinen Humor, seine Macken. Die Bindung zum Helden ist so ungleich höher als noch in Crysis.
Trotzdem ist auch Warhead lupenreines Actionkino. Wer echte Story- und Charaktertiefe erwartet, der wird nach wie vor enttäuscht. Dazu trägt vor allem die langweilig präsentierte Haupthandlung bei. Gerade Crysis-Spieler wissen schließlich bereits genauestens, wie sich die Alienhatz entwickelt. Das erstmalige Auftauchen der Außerirdischen, spektakulär zugefrorene Landschaften und sogar das Ende sind wohl vertraut, Überraschungen entsprechend rar gesät.
Dass Entwickler Crytek den Kern des Spiels unangetastet ließ, das merkt man Warhead faktisch von der ersten Minute an. Dass dies bei einem Ausnahmeshooter wie Crysis aber gar nicht so verkehrt sein muss, dessen ist man sich ebenfalls schnell bewusst. Warhead macht schlicht und ergreifend Spaß. Alles wirkt unheimlich ausgereift, Detailverbesserungen lassen das Geschehen noch runder wirken.
Neben der bereits angesprochenen Inszenierung fällt insbesondere die Entscheidungsfreiheit positiv ins Gewicht. Die Areale und damit die Non-Linearität fallen zwar etwas kleiner aus, der Spieler wird verstärkt an der Hand genommen, damit die Gefahr des Verlaufens gar nicht erst gegeben ist. Doch die Vielfalt in der Herangehensweise an die Missionen wurde erhöht.
Wähle ich den vom Programm empfohlenen Weg und fahre im dicken Panzer gen feindliche Basis? Oder schlage ich mich zu Fuß durch und schalte die Gegner im Verborgenen hinterrücks aus? Situationen, in denen der Spieler, sprichwörtlich an ein bestimmtes Vehikel gekettet, eine bestimmte Route zurück legen musste und keine Möglichkeit hatte, auszusteigen, gibt es nicht mehr. Es obliegt zu jedem Zeitpunkt euch, ob ihr per pedes oder motorisiert über die Insel brettert.
Erweiterter Waffenschrank
Ein wenig Feintuning hier, ein anderer Story-Blickwinkel da: Warhead macht Vieles genau so wie Crysis, Einiges aber doch auch neu. Frische Waffen zum Beispiel. Für den extrastarken Kawumms-Faktor sorgt der Granatwerfer, der selbst Panzer in Windeseile zu Altmetall verarbeitet. Weniger brachial zeigen sich die Maschinenpistolen, von denen Psycho in jeder Hand eine halten darf.
Auf kurze Distanz mähen die vollautomatischen Wummen ganze Feindscharen nieder. Auf weite Entfernung ist die Streuung allerdings zu hoch. Nicht von schlechten Eltern sind ferner die neu implementierten EMP-Granaten. Die lassen 08/15-Soldaten zwar kalt. Nanosuit-Träger reagieren dafür umso empfindlicher, da die Anzug-Funktionen durch den Elektroimpuls versagen und die Panzerung den Geist aufgibt.
Schlechte Karten: Im Mehrspielermodus nur mit einer Pistole bewaffnet auf die Jagd zu gehen, kommt einem Selbstmord gleich.
Schlechte Karten: Im Mehrspielermodus nur mit einer Pistole bewaffnet auf die Jagd zu gehen, kommt einem Selbstmord gleich. Der Mehrspielermodus kommt losgekoppelt von der Einzelspieler-Erfahrung daher und muss auch separat installiert werden. Der Crysis Wars genannte Multiplayer-Part samt 21 großer Karten - davon sieben komplett neu - ist unterteilt in den altbekannten Power-Struggle-Modus sowie das neu hinzugefügte Deathmatch und Team-Deathmatch. Letztere erfreuen vor allem Fans schneller und unkomplizierter Gefechte. Ohne viel Einarbeitungszeit geht ordentlich die Post ab.
Power Struggle erstrahlt größtenteils in altem Glanz. Einzige Änderung: Um den Sieg davon zu tragen, müssen Spieler nicht mehr zwingend die gegnerische Basis einäschern. Läuft ein vorgegebenes Zeitlimit ab und die Stützpunkte stehen noch, gewinnt, wer im Lauf der Partie am meisten Energie gesammelt hat.
Grafik:
Nach wie vor das Maß der Dinge. Schöner ballert es sich derzeit nirgendwo! Im Vergleich zu Crysis wirkt das Gezeigte sogar noch eine Spur schicker. Explosionen sind voluminöser, Gesichter noch feiner.
Sound:
Die dynamische, treibende Musikkulisse motiviert ebenso wie die passend ausgewählten deutschen Sprecher, die geradezu perfekt zu ihrer Rolle passen. Nettes Gimmick: Gegner sprechen optional Koreanisch.
Gameplay:
Adrenalin fördernde Scharmützel auf einer wunderschönen Tropeninsel: Was für Crysis galt, gilt auch für Warhead. Trotz Neuerungen-Armut und Story-Schwächen gehört die effektgeladene, nahezu perfekt inszenierte Shooter- Action zum Nonplusultra im Genre.
Multiplayer:
Der Power Struggle-Modus zeigt sich leicht verbessert. Deathmatch und Team-Deathmatch sind völlig neu und laden zum schnörkellosen Baller-Reigen ein. Schade: Nur sieben der 21 Karten sind neu, alle anderen aus Crysis entlehnt.