Parsec Productions‘ kostenloses Grusel-Adventure Slender ist ein Lehrstück darüber, wie man mit einfachsten Mitteln pures Grauen erzeugt. Ein Erfahrungsbericht von Florian Heider.
Sonntag. Windows sagt, es sei 17 Uhr. Die Welt vor meinem Fenster atmet noch laut, doch was draußen vor sich geht, ist jetzt gänzlich unwichtig. Man hat mir gesagt, ich solle mir ein Spiel genauer anschauen, Slender heißt es. Einzige Info: Es handelt sich um ein Gruselerlebnis aus der Ego-Perspektive.
Grusel? Bei einem Gratisspiel? Große Worte, aber was soll mich als alten Horror-Fan noch erschrecken? Um mir die Spannung nicht zu nehmen, stelle ich keine weitere Recherche an. Der Aufzugsgurt meines Rollladens kratzt in meinen Händen und als ich mein Werk vollendet habe, gibt es kein Licht mehr im Zimmer – bis auf meinen Bildschirm, auf dem Slender auf mich wartet.
Letzte Meter bis zum Schreibtisch. Es ist still in meiner Wohnung. Kopfhörer auf, Lautstärke hochgedreht, Blick zum Monitor, völlig ausgeklinkt von der Außenwelt. Ich lasse den Mauszeiger langsam in die Mitte wandern und klicke dann auf »Start Game«.
Völlige Dunkelheit. Unter meinen Schuhen knirscht der Kies. Ich erklimme einen Zaun, lande leise auf der anderen Seite und knipse meine Taschenlampe an. Spärliches Licht erhellt die Umgebung vor mir, außerhalb des Lichtkegels nur bleierne Schwärze.
Aber es ist die Geräuschkulisse, oder besser ihr Fernbleiben, die das bedrückende Dunkel noch verdichtet. Da ist das vereinzelte Zirpen von Grillen und das Geräusch meiner Schritte, doch über allem hängt diese ohrenbetäubende, absolute Stille und brüllt mir das Nichts entgegen. Vor mir ein von Bäumen gesäumter Pfad. All das nehme ich durch die Linse meiner Kamera wahr, die ich ständig bei mir trage.
Slender kostenlos herunterladen Das Indie-Game Slender kann man auf der offiziellen Website kostenlos downloaden und spielen. http://www.parsecproductions.net/slender/
Acht Seiten
Mein Auftrag ist simpel: Finde acht Seiten. Welche Seiten? Das weiß ich nicht. Die ersten Meter bringe ich sprintend hinter mich. Keine gute Idee, meine Sicht ist zu eingeschränkt. Ich halte an, richte die Taschenlampe wieder nach vorne, als etwas zu meiner Linken aufblitzt.
Ein paar Schritte später erkenne ich es: Ein altes, kaputtes Auto mit Anhänger. Langsam nähere ich mich der offenen Fahrzeugtüre, beleuchte das Innere. Im schwachen Lichtschein ist nur Gerümpel zu erkennen, nichts Interessantes. Da ist jedoch noch der Anhänger. Moment, dort hängt etwas. Eine der Seiten! Bevor ich das Stück Papier an mich nehme halt ich inne. Zwei Wörter, die Lettern immer und immer wieder, mit zitternden Fingern nachgezogen. Zwei Wörter, die mich zögern lassen: »HELP ME«.
Dröhnen
In dem Moment, in dem ich den Zettel an mich nehme, dröhnt es in meinen Ohren. Ein Geräusch, wie malmende Schritte von etwas Höherem, etwas, dass wir Menschen nicht begreifen können, frisst sich in einer unheilvollen Endlosschleife in meine Gehörgänge, saugt sich in meinem Kopf fest und will nicht mehr weichen.
Ich habe etwas in Gang gesetzt, das sich nicht mehr aufhalten lässt. Für einen kurzen Augenblick frage ich mich, ob ich das alles beenden und den Auftrag abbrechen soll. Meine Vernunft jubelt, doch sie wird überhallt von dem Geräusch, das immer noch all mein Tun unterlegt, dass mich vorwärts treibt, obwohl ich schon längst hätte umkehren sollen.
Zwischen den Bäumen
Weitere Meter, weitere Bäume und diese absolute Finsternis, die sich wie Fäulnis über meinen Weg gelegt hat. Da vorne, ein altes Gebäude, keine Türen, vielleicht liegt dort ein Zettel. Bevor ich hineingehe, drehe ich mich nochmal um. Etwas sagt mir, dass ich längst nicht mehr alleine bin, nicht mehr alleine sein kann.
Und da ist etwas! Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich mir sicher, dass dort etwas zwischen den Bäumen lauert. Es steht einfach dort und wartet. Wartet, weil es weiß, dass es mich am Ende holen wird. Mir wird schwindelig, meine Sicht schwankt, das Bild meiner Kamera beginnt zu rauschen. Ich schüttele den Kopf, wende den Blick ab und sehe nochmal hin. Da ist nichts, lediglich Schatten, nur ein Hirngespinst.
Mach dich nicht wahnsinnig!
Verfall
Ich gleite ins kühle Innere des Gebäudes. Weiße Fliesen bedecken Teile der Wand und des Bodens, alles wirkt– heller. Für kurze Zeit wird mein Kopf etwas klarer. Der Gang vor mir teilt sich, gibt Optionen frei. Einer wie der andere, ich werde sie eh alle absuchen müssen.
Ein Raum, in der Ecke ein alter, auf dem Boden liegender Stuhl und dort an der Wand, der zweite Zettel. Kurze Freude weicht blankem Entsetzen. Dieses Bild, diese scheußliche, absurde Karikatur eines Menschen.
Kein Gesicht, Gliedmaßen, deren Länge jeglicher menschlicher Erscheinungsform spottet. Dasselbe Wort, in vielfacher Ausfertigung, umhüllt die Gestalt. »NO«, immer und immer wieder. Alles ist so eng. Raus hier! Ich biege um die Ecke und da steht er, regungslos, auf mich wartend. Ein Geräusch, als würde jemand ein Klavier zertrümmern. Wieder schwinden mir die Sinne. Zitternd falle ich in den Raum zurück. Reiß dich zusammen, dein Gehirn spielt dir einen Streich. Die Dunkelheit macht dich paranoid! Langsam, so unendlich langsam, werfe ich einen Blick in den Gang. Nichts! Ich wanke ins Freie.
Flucht
Der Auftrag ist unwichtig, nur noch raus hier, raus! Auf welchem Weg bin ich überhaupt herein gekommen? Irrsinn, ohne eine Karte aufzutauchen. Ich sehe ihn nicht, aber ich weiß, dass er in der Nähe ist, mich beobachtet.
Ich gehe, laufe, renne, atme schwer und während ich mich durch das Unterholz schlage, muss ich an einen Mythos denken. Den Mythos über den Slender Man. Der, der auf dich wartet, wenn es dunkel ist und dem du nicht davonlaufen kannst, sobald du ihn einmal gesehen hast. Der, der dich eines Tages holen wird.
Ammenmärchen, nichts weiter! Wenn nur nicht dieses ständige Dröhnen in meinem Kopf wäre.
Wo ist der verdammte Zaun? Ein Tunnel, nur einige Schritte weiter und im Schein meiner Taschenlampe leuchtet etwas auf: Ein weiterer Zettel.
Den Ausgang der Röhre kann ich nicht erkennen, doch was ist, wenn er mich in die Freiheit führt? Keuchend haste ich los, im Vorbeilaufen reiße ich den Zettel an mich, sehe ihn nur kurz an. Bleistiftzeichnung, Bäume, die Worte »follows« und wieder diese unsägliche Kreatur. Als ich den Blick wieder nach vorne richte, sehe ich das Ende des Tunnels. Und ich sehe ihn.
Mein Gott, er ist bereits so nah…
[size=150]Epilog
Florian Heider: Es ist Sonntag. Meine Uhr zeigt 17:15 Uhr. Kopfhörer runter, weg vom Schreibtisch, Rollladen hochgezerrt. Alles ist so wie vor 15 Minuten. Seltsam, wenn einem die echte Welt plötzlich unwirklich vorkommt.
Tags darauf spreche ich mit Kollegen über meine Erlebnisse, tausche mich aus. Sie haben ähnliches erlebt, und ich bin froh, dass ich nicht vorher auf Let´s Play-Videos zurückgegriffen und mich habe spoilern lassen.
Abends, die Sonne ist bereits untergegangen. Meine Freundin fragt mich, warum ich so lange am Fenster stehe. Ich drehe mich zu ihr um, schenke ihr ein Lächeln und lege mich ins Bett. Was ich ihr nicht sagen, ist, dass ich mir nicht sicher bin, ob dort draußen, auf der anderen Straßenseite, nicht etwas steht … einfach nur dort steht …
Slender: Source - Gruselspiel wird in neuer Engine aufgelegt
Das Gruselspiel Slender bekommt eine neue Grafik-Engine. Die Indie-Entwickler Ethereal Entertainment setzen das Konzept des Spiels in der Source-Engine um. Neben besserer Grafik gibt es auch einen Koop-Modus.
Der Erfolg des Gruselspiels Slender sorgt für Nachschub. Die Indie-Entwickler Ethereal Entertainment setzen das Spiel mit der Source-Engine um. Die ist vor allem für ihren Einsatz in Team Fortress 2 , Half-Life 2 oder Portal 2 bekannt. Mit dem Engine-Update soll sich nicht nur die Optik von Slender verbessern. Das Entwicklerteam will auch einige Gameplay-Veränderungen einbauen.
In Slender: Source wird es einen Koop-Modus geben, der drei weitere Freunde am Gruselabenteuer teilnehmen lässt. Anders als das Original wird man auch keine Zettel mehr sammeln, sondern 15 Puppen suchen. Selbstverständlich ist man dabei weiterhin unbewaffnet. Außerdem will das Entwicklerteam neben einer grafisch überarbeiteten Wald-Map auch eine Krankenhauskarte einbauen. Später sollen dann weitere Karten folgen.
Wann Slender: Source erscheint, ist noch nicht bekannt. Auch sind wir noch nicht sicher, ob wir unseren Praktikanten Florian Heider Slender: Source spielen lassen. Seinen Erfahrungsbericht mit Slender auf Unity-Basis gibt es hier. http://www.gamestar.de/spiele/slender/ar...64,3003302.html